Das große und das kleine Nein

Das kleine Nein sitzt auf einer Bank im Park und isst gerade Schokolade. Es ist wirklich ein sehr kleines Nein, winzig und ganz leise. Da kommt eine große, dicke Frau und fragt: „Darf ich mich zu dir setzen?“  Das kleine, winzige Nein flüstert ganz leise: „Nein, ich möchte lieber alleine sein!“ Die große, dicke Frau hört gar nicht hin und setzt sich auf die Bank. Da kommt ein Junge angerannt und fragt: „Darf ich deine Schokolade haben?“ Das kleine Nein flüstert wieder: „Nein, ich möchte die Schokolade gerne selber essen.“ Aber auch der Junge hört nicht hin, nimmt die Schokolade und beginnt sie zu essen.

Da kommt ein Mann vorbei, den das kleine Nein schon oft im Park gesehen hat und sagt: „Hallo, Kleine, du siehst nett aus, darf ich dir einen Kuss geben?“ Das kleine Nein flüstert zum dritten Mal: „Nein, ich will keinen Kuss!“ Aber auch der Mann scheint nicht zu verstehen. Er geht auf das kleine Nein zu und macht schon einen Kussmund.

Nun verliert das kleine Nein aber endgültig die Geduld. Es steht auf, reckt sich in die Höhe und schreit aus vollem Hals: „Nein!“ Und noch einmal: „Nein, nein, nein! Ich will alleine auf meiner Bank sitzen, ich will alleine meine Schokolade essen und ich will nicht geküsst werden! Lasst mich sofort in Ruhe!“

Die dicke Frau, der Junge und der Mann machen große Augen. „Warum hast du das nicht gleich gesagt?“ fragen sie und gehen weiter ihre Wege.

Und wer sitzt jetzt auf der Bank? Nein, nicht ein kleines Nein, sondern ein großes Nein. Es ist groß, stark und laut und es denkt: „So ist das also! Wenn man immer leise und schüchtern nein sagt, hören die Leute nicht hin. Man muss schon laut und deutlich nein sagen!“

Und so wurde aus dem kleinen Nein ein großes Nein.

(Gisela Braun aus: „Ich sag nein“)